Das Saarland will Touristen neue Reise-Anlässe bieten, deshalb darf Joachim Arnold „Opernfestspiele” ans Saarpolygon bringen. Eine gute Idee?
ENSDORF So kann’s gehen: Eine Notlösung aus der Corona-Zeit wird zum Joker. 2021 zauberte Musik und Theater Saar”-Chef Joachim Arnold neben seinem Merziger Zeltpalast bekanntlich eine Open-Air Spiel-stätte aus dem Hut: die Freiluftare-na Saar, eine riesige halbrunde Zuschauer-Tribüne. Damals sprach der Kulturunternehmer bereits davon, dass es sich um eine „mobile” Konstruktion handele – eine, die schnell ab- und wieder aufgebaut sei, wo auch immer. Im nächsten Jahr macht Arnold nun ernst damit: Er schiebt seine Arena wenige Kilometer weiter, nach Ensdorf, dann einen 150 Meter hohen Berg hoch, auf die Halde der Grube Duhamel, direkt neben das Saarpolygon. Klingt ziemlich abgedreht und ist es wohl auch, denn auch Arnold spricht – in Anlehnung an die ersten, als „allerkühnst” gewerteten Fest-spiel-Ideen des 19. Jahrhunderts – von einer ähnlich „irren” Sache, die er da im August 2024 vorhabe: „Opernfestspiele* auf einer Bergehalde, temporär so knapp wie möglich auf rund 14 Tage beschränkt, Pop-Up-Oper, das dürfte deutschlandweit einmalig sein. Und deshalb sieht das saarländische Wirtschaftsministerium die Chance, durch Arnolds Projekt deutlich mehr Touristen ins Land zu locken. Rund 400 000 Euro „Leuchtturm”-Förderung sind der Regierung die Polygon Opernfestspiele wert, wie sie am Dienstag bekannt gab (die SZ berichtete). Insgesamt will die Arnold Circus Productions GmbH etwa eine Million investieren.
Was genau hat Arnold mit dieser beachtlichen Summe vor? Er wird, wie er der SZ auf Nachfrage berichtet, eine Art Amphitheater bauen und 1500 Zuschauer mit Shuttlebussen zu acht Aufführungen die Halde hoch-fahren, zu einer durchaus kommod eingerichteten kleinen Theaterstadt mit Gastro. Aber ein bisschen Out-door-Abenteuer ist schon dabei, denn ums Polygon pfeift auch im Sommer der Wind. Was die Sicherheit und Evakuierungs-Fragen angeht, will Arnold ein, unanfechtbares Konzept” vorlegen. Dass er „alternative” Logistik kann, hat er jahrzehntelang bewiesen. So weit, so alles fein. Auf dem Programm steht allerdings Mozarts „Zauberflöte”, ein Märchen- und Mysterienspiel, das zu einem brachialen Ort der Arbeit so gar nicht kompatibel scheint, ebenso nicht mit der abstrakten Coolness des Polygons. Womöglich verdanken wir die Stückauswahl schlicht der Zugkraft dieser weltweit bekanntesten und beliebtesten Oper. Arnold muss auf jeden Fall durch die Inszenierung seine Programmsetzung plausibel machen.
Was steht bereits an Plänen? Erwarten soll das Publikum ganz großes Bildertheater unter freiem Himmel, mit Liveorchester und einer auf den Ort abgestimmten perfekten Akustik, die nicht schlechter sein soll als in einem Theaterraum. Inszenatorisch muss es natürlich überwältigend und gewaltig werden, für eine spektakuläre Optik sorgt allein schon der 35 Meter hohe Polygon-Stahlkoloss, für personelle Fülle Bergmanns-Chöre.
Auch das favorisierte Regieteam „von Weltrang”, dessen Namen erst demnächst nach der Vertragsunterzeichnung bekannt gegeben werden, bringt laut Arnold Erfahrungen mit, die mit seinem Anspruch korres pondieren, in Ensdorf die „sakrale” Wucht antiken Theaters erfahrbar zu machen. Denn er sieht dort einen „Ort von archaischer Kraft. Auf der Halde erlebt man eine Verbindung zwischen Himmel und Erde”. Die Umgebung sei so „einmalig”, dass dort „etwas Unglaubliches passieren muss”. Einmalig und unglaublich wäre tatsächlich, wenn das touristische Kalkül aufginge. Im ersten Jahr, meint Arnold, würden vor allem Saarländer an den Opernfestspielen teilnehmen wollen, im zweiten Jahr womöglich auch schon Menschen aus Trier oder Zweibrücken.
„Und warum sollten im dritten und vierten Jahr nicht systematisch Busse anreisen?”, fragt er, der Chefoptimist. Die „Opernfestspiele” sind also nicht als Ein-mal-Unternehmen gedacht, was die Investition der Landesregierung aus Arnolds Sicht rechtfertigt. Denn er liefert den Saar-Touristikern ab 2024 das, was sie seit Jahren von den Kul turleuten fordern: ein bereits fertiges, deshalb frühzeitig und langfristig zu bewerbendes „Produkt” mit hohem Oho-Faktor. Einen Leuchtturm eben, der allerdings auch Schatten wirft. Denn wenn Arnold seine Freiluft-Tribüne für Ensdorf braucht, kann er sie nicht gleichzeitig in Merzig nutzen.
„Ab 2024 wird es keine Open-Air-Bühne am Zeltpalast mehr geben”, sagt er. Doch die Produktion im Zelt laufe weiter, sprich es werden in Merzig weiterhin Musicals produziert. Man erinnere sich: Arnold startete sein Unternehmen vor vielen Jahren mit einem damals noch ungewöhnlichen Sommertheater, der „Oper im Zirkuszelt” Kommune und Land hofften auf einen Touristen-Magneten, doch der große Durchbruch gelang nie. Nun denn: Aller guten Dinge sind zwei.